Gespräch mit Prof. em. Alfred Buck

Wann wurde Ihnen bewusst, dass ein spezielles Gehirn-PET System benötigt wird?

Das wurde mir relativ früh bewusst. Ich arbeitete am PET-Zentrum des Universitätsspitals Zürich als Kliniker und Forscher. Ich interessierte mich vor allem für das Gehirn und die PET Diagnostik bot völlig neue Möglichkeiten, das Gehirn zu erforschen. In Zürich waren wir immer mit PET-Scannern der neuesten Technologie ausgestattet und in einem klinischen PET-Zentrum wir in unserem waren die Scanner tagsüber mit Patienten ausgebucht. Am Abend und am Wochenende waren die Geräte lediglich für Forschungszwecke verfügbar. Vor dreißig Jahren war das kein Problem – ich konnte einfach am Wochenende reinspazieren und die Scanner benutzen und das Zyklotron starten, um die benötigten Radionuklide zu produzieren. Doch dies wurde im Laufe der Zeit immer schwieriger aufgrund neuer Regularien und sog. „Wochenendforschung“ war fast nicht mehr möglich. Darüber hinaus sind die bestehenden Ganzkörper-PET-Scanner teuer und meist mit Patienten belegt, die Ganzkörperscans benötigen. Klinische und Forschungsarbeiten im Gehirn könnten aber problemlos mit dezidierten und billigeren Gehirn-Scannern durchgeführt werden. Ein solcher Gehirnscanner hat meiner Meinung nach mehrere wichtige Vorteile:
a) Er könnte im Vergleich zu den Ganzkörperscannern viel billiger sein
b) Der Platzbedarf wäre viel geringer. Die Ganzkörperscanner benötigen einen großen Raum mit komplexer Infrastruktur. Ein einfaches, dezidiertes Gehirn-PET Gerät, mit dem die Patienten in sitzender Position gescannt werden könnten, könnte in einem kleinen Raum neben den großen Geräten aufgestellt werden.
c) Eine solche Anordnung würde dann viel mehr Scans ermöglichen und somit die Verfügbarkeit für die klinische Routine aber auch die Forschungsarbeit stark erhöhen.

Wie hat sich die PET-Bildgebung im Laufe der Zeit entwickelt?

Das ist eine interessante Geschichte. Vor dem Jahr 2000 war PET hauptsächlich ein Forschungsinstrument. Die frühen PET-Scanner hatten ein minimales Sichtfeld (Field of View – FOV) von etwa 1 cm, sodass nur ein kleiner Teil des Körpers abgebildet werden konnte. Das war gut für die Hirnforschung, wo man viele Informationen in nur einem Schnitt bekommt. Die andere entscheidende Entwicklung war die Entdeckung von Fluordeoxyglucose (FDG), die mit F-18 markiert werden konnte. FDG ist ein Glucose-Analogon, es gelangt wie Glucose in die Zelle, wird einmal phosphoryliert, dann aber nicht weiter metabolisiert und bleibt in der Zelle hängen. Das macht es ideal für die Bildgebung. Auch heute noch ist FDG der am häufigsten verwendete PET-Tracer. Im Laufe der Zeit erhielten die PET-Scanner ein größeres FOV und es wurde möglich, den ganzen Körper abzubilden, was die Methode für die Krebsdiagnose interessant machte. Ein Ganzkörperscan dauerte damals in etwa eine Stunde, was noch etwas unpraktisch war. Daher blieb die Nachfrage nach klinischen PET-Scannern begrenzt. Um das Jahr 2000 dachten einige große Hersteller daran, den PET-Bereich zu verlassen, da dieser nicht lukrativ genug war. Dann kam der „Game Changer“. Die entscheidende Idee war, die PET mit der Computertomographie (CT) in einem einzigen Gerät zu kombinieren. Diese Kombination ermöglichte es, die Zeit für das Ganzkörperscannen auf 20 Minuten und weniger zu verkürzen. Dies war der Beginn eines unglaublichen Booms in der klinischen PET-Bildgebung. Später wurde die PET auch mit der Magnetresonanztomographie (MRT) kombiniert. Diese Kombination verschiedener Modalitäten trieb den Preis der Geräte in die Millionen. Obwohl diese neuen Geräte ein wertvolles Werkzeug für die Bildgebung des ganzen Körpers sind, sind sie aus mehreren Gründen etwas übertrieben für die Bildgebung des Gehirns. Aus diesem Grund wäre ein dedizierter Gehirnscanner – wie das NeuroLF System – ohne Einbußen bei der Bildqualität viel wirtschaftlicher. Ein solcher Scanner ist viel kleiner und für die Bildgebung des Gehirns ist die Hardwarekombination mit einem CT oder MR nicht unbedingt erforderlich. Für ein PET-Zentrum könnte somit ein solcher dedizierter Gehirnscanner eine ideale Ergänzung zu einem Ganzkörperscanner sein.

Wie bewerten Sie die PET-Bildgebung in der Demenzdiagnostik im Vergleich zu anderen diagnostischen Modalitäten?

Demenzen gibt es bei jüngeren und älteren Menschen. Jüngere Menschen haben oft behandelbare Krankheiten, wie Vitaminmangel oder Schilddrüsenfunktionsstörungen. Bei älteren Menschen ist die Alzheimer-Krankheit (AK) die häufigste Form, gefolgt von vaskulärer Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz und frontotemporaler Demenz. Therapeutische Möglichkeiten für all diese sind derzeit begrenzt oder nicht vorhanden. Einige der Demenzen zeigen typische pathologische Veränderungen. Bei AK findet man pathologische Ablagerungen von Amyloid und Tau. Obwohl diese eine wichtige Rolle beim Fortschreiten der AK spielen, ist der genaue Mechanismus derzeit unbekannt. Erst kürzlich hat die FDA eine Antikörperbehandlung zugelassen, die darauf abzielt, das Amyloid zu entfernen. Diese Behandlung (Aduhelm) wurde in Zürich entwickelt und zeigte vielversprechende Ergebnisse in einer Phase-2-Studie. In der größeren Phase-3-Studie waren die Ergebnisse weniger überzeugend. Derzeit laufen weitere Studien, die auf Amyloid und neuerdings auch auf Tau abzielen.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu beachten, dass sowohl Amyloid als auch Tau mittels PET abgebildet und quantitativ gemessen werden kann. Das macht die PET zu einem unschätzbaren Werkzeug in der Erforschung und Diagnostik von Demenzen.

Der Standarddiagnostikpfad bei Demenzen sieht wie folgt aus: Der erste Schritt ist eine gründliche klinische, neurologische und neuropsychologische Untersuchung, um den kognitiven Rückgang zu quantifizieren. Diese Untersuchungen liefern in der Regel eindeutige Hinweise auf die Ätiologie der Demenz, jedoch mit begrenzter Genauigkeit. Am wichtigsten ist es, behandelbare Ursachen, wie zum Beispiel Hydrozephalus, nicht zu übersehen. Um solche Ursachen auszuschließen, ist die MRT-Bildgebung hilfreich und weit verbreitet. In Bezug auf AK gibt es Behandlungen, die darauf abzielen, bestimmte Neurotransmittersysteme zu stärken, und bei richtiger Anwendung können diese das Fortschreiten verlangsamen. Diese Behandlungen sollten jedoch nur bei eindeutiger Diagnose durchgeführt werden. Hier gewinnt PET immer mehr an Bedeutung. Ein Standardverfahren ist heute ein Gehirn-PET mit F-18 FDG, die den Glukosestoffwechsel im Gehirn misst und ein sehr typisches pathologisches Muster bei AK aufzeigt. Die klinische Untersuchung in Kombination mit der FDG-PET führt meist zu einer eindeutigen Diagnose, die weitere diagnostische Verfahren überflüssig macht.

Wie sehen Sie die Rolle von Amyloid und Tau-PET?

Die Bildgebung der Amyloid-Ablagerungen ist seit Jahrzehnten möglich. Zum ersten Mal wurde es möglich, die Menge der Amyloid-Ablagerung im lebenden menschlichen Gehirn sichtbar zu machen und zu messen. Es bot neue Einblicke in die Pathologie von Alzheimer und anderen neurodegenerativen Hirnerkrankungen. Mit dem Aufkommen von Therapien, die darauf abzielen, die Ansammlung von Amyloid im Gehirn zu entfernen oder zu verhindern, gewann die Amyloid-PET noch mehr an Bedeutung. In der Entwicklungsphase dieser Therapien erlaubte die PET, die Wirkung der Therapien auf die Amyloid-Belastung zu messen. Die Anwendung dieser Anti-Amyloid-Therapien erfordert ein diagnostisches Verfahren, das das Vorhandensein von Amyloid nachweist, und hierfür wird die PET ein wichtiges Instrument sein. Die Pathophysiologie von AK ist komplex und Amyloid ist sicherlich nur ein Teil des Puzzles. Ein weiterer wichtiger Akteur ist die Ablagerung von Tau, die ebenfalls mit PET gezeigt werden kann. Therapien, die auf Tau abzielen, sind ebenfalls in der Entwicklung. Es könnte durchaus sein, dass eine Kombination aus Amyloid- und Tau-Therapien am effektivsten sein wird.

Können Sie einen möglichen diagnostischen Pathway bei Altersdemenzen beschreiben?

Wenn sich Behandlungen gegen Amyloid und/oder Tau als wirksam erweisen und allgemein verfügbar werden, könnte ein angemessenes diagnostisches Verfahren wie folgt aussehen:

Nach klinischen Tests können Menschen mit Anzeichen von Demenz mit einem Bluttest auf Amyloid und Tau untersucht werden. Solche Tests sind in der Entwicklung und werden in Zukunft kostengünstig sein. Wenn der Test positiv ist, folgt ein Gehirn-PET, um die falsch positiven Fälle auszuschließen. Wenn auch PET positiv ist, kann die Behandlung beginnen.Amyloid- und Tau-Ablagerungen beginnen sich Jahre vor dem Auftreten von Symptomen aufzubauen. Wenn gezeigt werden könnte, dass das Stoppen des Aufbaus dieser Proteine ​​AK verhindern kann, könnte das obige Screening-Verfahren sogar auf alle Personen über einem bestimmten Alter ausgedehnt werden.

Wo sehen Sie die Zukunft von Gehirn-PET?

Über den zukünftigen Einsatz von PET bei Demenzerkrankungen hinaus, wird die PET weiterhin eine zentrale Rolle bei praktisch allen Hirnerkrankungen spielen: neurovaskuläre Erkrankungen, Hirntumore, neurodegenerative Erkrankungen und Epilepsie, um nur die häufigsten zu nennen. Auch hier gibt es klare klinische Indikationen für die Durchführung einer Gehirn-PET und gleichzeitig bietet es ein enormes Forschungsfeld.

Was halten Sie von NeuroLF?

NeuroLF ist ein dedizierter Gehirnscanner, der die Kosten für Gehirnscans deutlich senken könnte. Dies wird vor allem dann wichtig, wenn das Volumen der Gehirnscans zunimmt, wie es in der Demenzdiagnostik zu erwarten ist. Ich kann mir sogar ein Demenz-PET-Diagnosezentrum mit mehreren Gehirnscannern vorstellen. Darüber hinaus kann es aufgrund des geringen Platzbedarfs problemlos zu herkömmlichen PET-CT- oder PET-MR-Ganzkörperscannern hinzugefügt werden und erhöht somit die Verfügbarkeit von Hirnscan-Slots für die klinische Anwendung und Forschung.

Prof. em. Alfred Buck

Alfred Buck studierte Maschinenbau an der ETH in Zürich und arbeitete dann 2 Jahre als Ingenieur in Kanada. Danach studierte er Medizin an der Universität Zürich und erhielt 1987 seinen MD. 1987 trat er der Nuklearmedizin am Universitätsspital Zürich bei. In Ann Arbor in Michigan absolvierte er ein 2-jähriges Stipendium für NeuroPET unter der Schirmherrschaft von David Kuhl, einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der Alzheimer-Krankheit. Nach 2 weiteren Jahren als Assistenzarzt in der Neurologie beendete er seine Facharztausbildung in Nuklearmedizin und wurde Leiter des NeuroPET Programms an der Universitätsklinik Zürich. Er erhielt mehrere Stipendien des Schweizerischen Nationalfonds und ist Autor zahlreicher peer-reviewed Publikationen. Neben klinischen und Forschungsarbeiten erfand er einen automatischen Injektor für radioaktive Substanzen, dessen Patent an die Injektorsparte von Bayer lizenziert ist. Er war auch Mitbegründer der Firma Swisstrace, die Blutentnahmegeräte für die Forschung mit PET verkauft.